ELC 2023: Gender und Kirche

Report von der 27. Europäischen Lutherischen Konferenz in Essen

Essen, 22.06.2023 – Delegierte und Gäste aus dreizehn Europäischen Ländern, den U.S.A. und Canada trafen sich vom 13. bis 17. Juni im Gemeindezentrum der Evangelisch Lutherischen Kirche in Essen. Nach der Covid-19-Pandemie war dies das erste persönliche Treffen der Europäisch Lutherischen Konferenz (www.euluthconf.org), das normalerweise alle zwei Jahre stattfindet. Das Thema der Konferenz lautete „Gender und Kirche – aus theologischer, rechtlicher und persönlicher Sicht“. Was für manche Christen ein Tabu ist, darüber zu sprechen, wurde von drei Hauptrednern mutig angesprochen und anschließend intensiv diskutiert. Die Konferenzsprache war Englisch.

Prof. Dr. Christoph Barnbrock (Oberursel/Ts.) präsentierte seine Gedanken unter dem Titel: „Leben als Christ in einer sich schnell verändernden Welt. Überlegungen am Beispiel der Gender-Debatte". Er argumentierte, dass sich die Gender-Perspektive als methodisches Instrument als hilfreich erweist. Aber die Gender-Debatte bringe auch Probleme mit sich, kurz charakterisiert durch Feindseligkeit zwischen Vertretern verschiedener Positionen, einen radikalen Konstruktivismus bei der Bestimmung der eigenen Identität und einen normativen Positivismus, als ob "alles, was existiert, auch sein gutes, vielleicht sogar gottgegebenes Recht hat". Barnbrock schlug vor, dass Christen die Polarisierung überwinden sollten, da Lutheraner zwei Dinge gleichzeitig für wahr halten können (z. B. gleichzeitig gerecht und Sünder zu sein). Dies sei notwendig, um einfache Antworten in einer komplexen Welt zu vermeiden. Wir sind alle von Gott geschaffen, und als Sünder, die wir alle sind, "haben wir keinen Grund, uns über andere zu erheben". Er schlug vor, "die Debatten unserer Zeit ohne Angst und mit vertrauensvoller Gelassenheit anzugehen, denjenigen, die anders denken als wir, Respekt und Solidarität entgegenzubringen und uns als Glieder des einen Leibes Christi neu zu entdecken".

Das zweite Referat wurde von der Rechtsanwältin und Notarin Claudia Hüstebeck (Göttingen) gehalten, die das Thema "Geschlecht und Kirche" aus rechtlicher Sicht betrachtete. Sie verwies auf die Grundrechte in Europa und Deutschland, die eine Diskriminierung aus verschiedenen Gründen verbieten, unter anderem wegen des Geschlechts und der sexuellen Orientierung. Sie erläuterte das Personenstandsrecht in Bezug auf das "dritte Geschlecht" und den Geburtsregistereintrag "divers". Im Familienrecht zeigte sie die Entwicklung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu gleichgeschlechtlichen Ehen und die Herstellung der Gleichberechtigung in Bezug auf die Besteuerung und die Adoption eines Kindes auf. Auch wenn die Kirchen diese Entwicklung kritisch sehen mögen, fragte sie, wie die Kirchen mit der "Ehe für alle" umgehen werden, "insbesondere, ob Segnungshandlungen oder Trauungen für gleichgeschlechtliche Paare in Frage kommen". Zusammenfassend stellte sie fest, dass das Rechtssystem der westeuropäischen Länder in den letzten 20 Jahren erhebliche Veränderungen erfahren habe mit dem "Ziel, die Gleichstellung aller sexuellen Orientierungen zu erreichen."

Das dritte Referat war ein persönlicher Bericht Bischof Juhana Pohjolas (Finnland), der sich in Finnland nach der Veröffentlichung einer Broschüre im Jahr 2004 über die Beziehung zwischen Mann und Frau einem Gerichtsverfahren stellen musste. Ihm wurde "Hassrede" (gegen Homosexuelle) vorgeworfen, auch wenn der Begriff nicht eindeutig definiert ist. Bischof Pohjola hatte nicht die Absicht, das Gesetz zu brechen oder Menschen zu beleidigen. Er nannte es einen Kampf zwischen dem Recht, nicht beleidigt zu werden, und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Der Staatsanwalt versuchte, ihn völlig zum Schweigen zu bringen, aber das Gericht hat ihn freigesprochen. Der Staatsanwalt behauptete, dass die Bibel nur als historisches Zitat verwendet werden dürfe, nicht aber als eigene Meinung. Dies würde bedeuten, dass ein persönliches Bekenntnis nach dem Wort Gottes gegen das Gesetz verstoße. Demgemäß dürfe niemand als Sünder bezeichnet werden. Dies würde gegen die Würde des Menschen verstoßen. Bischof Pohjola wies jedoch darauf hin, dass alle Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen sind. Das verleihe den Menschen ihre Würde, unabhängig von ihren Taten. Der Staatsanwalt habe anscheinend nicht verstanden, dass Gott die Sünder liebt, aber die Sünde hasst. Die christliche Lehre werde zunehmend mit Apathie, Feindseligkeit und Widerstand beantwortet. Auch wenn wir uns auf die Gesetze des Landes und die Gerichte konzentrieren, sollten wir uns bewusst sein, dass der wahre Kampf mit den Mächten und Gewalten (Eph 6,12) stattfindet, die Christus besiegt hat, so Pohjola.

Die Europäische Lutherische Konferenz gibt keine Richtlinien vor, wie die Kirchen mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen umgehen sollen, sondern ermutigt die Mitglieds- und Gastkirchen, aus den gemeinsamen Erfahrungen zum Thema der Konferenz zu lernen. Die einzelnen Kirchen müssten die vielen theologischen und praktischen Fragen selbst beantworten. Die sehr anregenden Diskussionen kamen jedoch zu dem Schluss, dass eine Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Ehen nicht möglich sei, weil sie dem Willen Gottes widersprächen. Nach seinem Wort will Gott idealerweise Paare aus einem Mann und einer Frau, die mit Kindern gesegnet sind.

Die nächste Konferenz wird in Dänemark, Portugal oder Norwegen stattfinden und von dem neuen Lenkungsausschuss, bestehend aus Pfarrer Klaus Pahlen (Deutschland), Pfarrer Philippe Volff (Frankreich) und Pfarrer Claudio Flor (Großbritannien), organisiert werden.